Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Miriam Hanika & Das Poesie Orchester: *innenleben (Review)

Artist:

Miriam Hanika & Das Poesie Orchester

Miriam Hanika & Das Poesie Orchester: *innenleben
Album:

*innenleben

Medium: CD/LP
Stil:

Liedermacher, Klassik, Pop

Label: Louise
Spieldauer: 40:00
Erschienen: 06.06.2025
Website: [Link]

Endlich mal ein Albumtitel, der mit einem Gender-* beginnt!
Haben wir da nicht alle drauf gewartet?
Wie bitte singt man den eigentlich?
*innenleben“ und MIRIAM HANIKA sowie ihr DAS POESIE ORCHESTER geben dazu allerdings keinen Aufschluss, denn nicht ein einziges Mal wird auf der LP von der auf sympathische Art etwas 'nelig-nuschelig', vom Gesang her an eine ANNETT LOUISIAN erinnernde Obo- und Englischhornistin Hanika das '*' in die Musik 'hineingehickst'.
Zum Glück!
Auch wurde in den Texten, die man allesamt auf dem beigelegten Textblatt nachlesen kann, ebenfalls nicht gegendert. Hier zählt tatsächlich die wahre Poesie – und die funktioniert nicht mit Sternchen oder Doppelstrichen und Unterstreichungen. Eben weil gerade diese Form des Umgangs mit der deutschen Literatursprache als kompletter Schwachsinn abgehakt werden muss, weil er einen studierten Germanisten der 'alten Schule' (so wie diesen Kritiker) schier in den Wahnsinn treibt. Wenigstens bleibt diesbezüglich der Duden noch standhaft. Doch wer weiß wie lange...
Wer das nicht wahrhaben will, der kann gerne auch weiterhin seine vokale Stimmaxt dort anlegen, wo die Schönheit der Sätze, Worte und Buchstaben sprießt! Genau hier beweist MIRIAM HANIKA, dass sie die große Gabe besitzt, diese Schönheit in ihren eigenen Texten abzubilden und zum Erstrahlen zu bringen.


Eine wunderschöne Piano-Ballade, von Hanika gleichermaßen beeindruckend gesprochen und gesungen, eröffnet das Album. Sie ist zugleich der Titelsong. Und sie weckt Erwartungen.
Melancholie?
Trauer?
Poesie?
Eben: „Tief vergraben die Idee von jenem Jahr / Als ich ein Innenleben war“.
Es geht darum, geboren zu werden, aber auch Mutter und Frau zu sein: „Und so entstand ein Lied über die größte Verantwortung, die man im Leben eingehen kann – die man ohne Vertrag abschließt und ganz sicher ohne Rückgabe- und Umtauschrecht.“
Ein wunderschönes Lied – ein wunderschöner Album-Anfang – und ein verstörender (in die anfangs falsche Richtung weisender) Titel.

MIRIAM HANIKA geht offensichtlich neue musikalische Wege – symphonische und akustische, auf besonders ruhige Momente und lyrische Texte fokussiert – die bestens zu ihr passen. Natürlich kann man dabei noch immer über ihre größtenteils in den hohen Tönen schwelgende Stimme streiten. Genauso wie eben bei einer Frau Louisian. Aber zugleich ist genau dieser Gesang ihr Markenzeichen. Deutlich singt sie. Man hört ihr daher genau zu. Denn sie hat viel zu sagen und singen. Auch (An-)Klagendes wie bei „Der nackte Kaiser“, den sie aus dem Märchenbuch direkt in unsere persönlich/politische Gegenwart holt: „Alle haben nur das eine Ziel ganz sie selbst zu sein, / Doch am Ende passt man ohnehin nur angepasst hinein“.

Der folgende „Trappist-1“ wandelt dann in eine andere Richtung, die einen eingängigen Rhythmus besitzt und sich mit großer Radiotauglichkeit in die Sender einkuschelt. Ein Song, der es verdient, im Radio mehr Beachtung zu finden und durchaus sicher vielen Hörern gefällt. Aber auch hier gilt: Bitte genauer beim Text hinhören, der eine 'neue Arche Noah' baut und zur Erkenntnis kommt, wie unfassbar weit man von der noch versprochenen Freiheit ist. Oder um es in Hanikas Worten auszudrücken: „'Trappist-1' ist ein Lied über Entfernung und die unverzichtbare Nähe zwischen uns Menschen und dem Planeten, auf dem wir leben. Etwas zu lieben, zu beschützen und ihm nah zu sein, ist das Schönste, das wir in diesem Leben erfahren können.“


Faszinierend, klassisch und instrumental startet dann die LP-B-Seite mit „Glasscherbenviertel“ durch, auf dem Hanika ihr ganzes Können an der Oboe beweist. Klassik pur, allerdings angereichert mit einer deutlichen Prise Jazz. Hier hören wir, was DAS POESIE ORCHESTER zu leisten in der Lage ist, das sich bei den Liedern größtenteils zurückhalten muss, damit der Gesang und die Texte im Vordergrund bleiben. Doch die lohnen sich schließlich genauso wie die musikalischen Begleitungen, die eben erst in den instrumentalen Teilen – oder ganz speziell im „Glasscherbenviertel“ zum Tragen kommen.
Es ist eine schwierige Kombination die Abwägung zwischen breit symphonischer Instrumentierung und der Verwirklichung von Liedermacher-Texten, die so viel zu sagen haben und denen zugleich eine tiefe Bedeutung zukommt, bei der man immer wieder nicht nur genau zuhören, sondern auch um die Ecke denken muss, wie bei dem großartig märchenhaften Lied „Der nackte Kaiser“.


Seinen zweiten großen Auftritt erhält das Orchester dann in Form eines ausgiebigen Intros für „Auf Wiedersehen“. Am Ende der LP eine absolut gelungene Vereinigung von Musikerin und Orchester, die regelrecht ineinander verschmelzen. Großes Kino, ganz ohne Kinosaal, dafür aber als konzertante Filmmusik: „Wir sagen nicht Lebwohl, / Nein, nur auf Wiedersehn“.

Eine gute Botschaft. Denn nach diesem „*innenleben“ ist die Freude auf den Nachfolger bereits jetzt riesengroß. Aber bitte unbedingt wieder mit DAS POESIE ORCHESTER und lyrischer Poesie statt '*'!


FAZIT: Am Ende von „*innenleben“ sagen auf liebevolle Weise und in einer Kombination aus klassischen Streicherklängen und beeindruckender Liedermacher-Manier MIRIAM HANIKA sowie ihr DAS POESIE ORCHESTER „Auf Wiedersehen“, wobei die Sängerin und Oboistin Hanika darauf verweist, dass „dieses Lied eine tröstliche Erinnerung daran ist, dass nichts in diesem Universum verschwinden kann – weder das Böse noch das Gute. Es ist eine Erinnerung daran, dass wir uns alle irgendwann und irgendwo wiedersehen werden, auch wenn wir uns manchmal schmerzlich vermissen.“ Das aktuelle Album von MIRIAM HANIKA trägt einen großen Anteil daran, dass wir uns auch weiterhin an dem orientieren sollten – musikalisch wie textlich – was wir, wenn wir nicht langsam wieder ein wenig umdenken, eines Tages tatsächlich schmerzlich vermissen werden.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 95x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Seite A:
  • *innenleben
  • Trappist-1
  • Immerhin haben sie eine Frau vorne hingestellt
  • Der nackte Kaiser
  • FABER
  • Seite B:
  • Glasscherbenviertel
  • Einer unter vielen
  • Der Mediator
  • Das Leben und sein Plan
  • Auf Wiedersehn

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Welches Tier bellt?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!